Liebesgedichte

Heinrich Heine – Abschied

Schöne Wiege meiner Leiden,
Schönes Grabmahl meiner Ruh,
Schöne Stadt, wir müssen scheiden, –
Leb wohl! Ruf‘ ich dir zu.

Leb wohl, du heil’ge Schwelle,
Wo da wandelt Liebchen traut;
Leb wohl, du heil’ge Stelle,
Wo ich sie zuerst geschaut.

Hätt‘ ich dich doch nie gesehen,
Schöne Herzenskönigin!
Nimmer wär‘ es dann geschehen,
Daß ich jetzt so elend bin.

Nie wollt‘ ich dein Herz rühren,
Liebe hab‘ ich nie erfleht;
Nur ein stilles Leben führen
Wollt‘ ich, wo dein Odem weht.

Doch du drängst mich selbst von hinnen,
Bitt’re Worte spricht dein Mund;
Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
Und mein Herz ist krank und wund.

Und die Glieder matt und träge
Schlepp‘ ich fort am Wanderstab,
Bis mein müdes Haupt ich lege
Ferne in ein kühles Grab.

Heinrich Heine


Jetzt Teilen

Facebooktwitterpinteresttumblrmail


Hoch