Liebesgedichte

Ludwig Uhland – Klein Roland

Klein Roland

Frau Berta saß in der Felsenkluft,
Sie klagt ihr bitt’res Los.
Klein Roland spielt in freier Luft,
Des Klage war nicht groß.

„O König Karl, mein Bruder hehr!
„O daß ich floh von dir!
Um Liebe ließ ich Pracht und Ehr‘,
Nun zürnst du schrecklich mir.

„Die Dame hat nach meinem Sinn,
Den besten Diener der Welt.
Sie ist wohl Bettelkönigin,
Die off’ne Tafel hält?

So edle Dame darf nicht fern
Von meinem Hofe sein.
Wohlauf, drei Damen! auf, drei Herrn!
Führt sie zu mir herein!“

Klein Roland trägt den Becher flink
Hinaus zum Prunkgemach:
Drei Damen auf des Königs Wink,
Drei Ritter folgen nach.

Es stund nur an eine kleine Weil‘,
Der König schaut in die Fern‘
Da kehren schon zurück in Eil‘
Die Damen und die Herrn.

Der König ruft mit einem Mal:
„Hilf, Himmel! seh ich recht?
Ich hab‘ verspottet im off’nen Saal
Mein eignes Geschlecht.

Hilf, Himmel! Schwester Berta, bleich,
Im grauen Pilgergewand!
Hilf, Himmel! in meinem Prunksaal reich
Den Bettelstab in der Hand!“

Frau Berta fällt zu Füßen ihm,
Das bleiche Frauenbild.
Da regt sich plötzlich der alte Grimm,
Er blickt sie an so wild.

Frau Berta senkt die Augen schnell,
Kein Wort zu reden sich traut.
Klein Roland hebt die Augen hell,
Den Öhm begrüßt er laut.

Da spricht der König im milden Ton:
„Steh‘ auf du Schwester mein!
Um diesen deinen lieben Sohn
Soll dir verziehen sein.“

Frau Berta hebt sich freudenvoll:
„Lieb Bruder mein! wohlan:
Klein Roland dir vergelten soll,
Was du mir Gut’s getan.

Soll werden seinem König gleich,
Ein hohes Heldenbild;
Soll führen die Farb‘ von manchem Reich
In seinem Banner und Schild.

Soll greifen in manches Königs Tisch
Mit seiner freien Hand;
Soll bringen zu Heil und Ehre frisch
Sein seufzend Mutterland.“

von Ludwig Uhland


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